Mittwoch, 16. August 2017

Was nützt Solidarität? Sozialpsychologisches Forschungsprojekt an der Uni Osnabrück untersucht die Rolle der Unterstützer.

Solidarität in den Medien :)
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NOZ Osnabrück:
Was nützt Solidarität?
Sozialpsychologisches Forschungsprojekt an der Uni Osnabrück untersucht die Rolle der Unterstützer.
Julia Becker, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Osnabrück.
https://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/899113/was-nuetzt-solidaritaet-uni-osnabrueck-sucht-antworten#gallery&0&0&899113

Text:
OSNABRÜCK.
Nutzt es, sich für die Rechte anderer einzusetzen?
Und was macht Menschen eigentlich solidarisch?
Ein sozialpsychologisches Forschungsprojekt an der Universität Osnabrück sucht Antworten auf diese Fragen.
Es ist eine Binsenweisheit, dass gut gemeint nicht immer gut gemacht ist.
Wer sich für die Rechte anderer einsetzt, darf nicht automatisch auf Zustimmung hoffen.

Der Roman „Onkel Toms Hütte" könnte da als Beispiel genannt werden.
Seine Verfasserin, die US-Schrittstellerin Harriet Beecher Stowe, war erklärte Gegnerin der Sklaverei, ihr Buch von 1852 ein flammendes Plädoyer gegen die damals vorherrschende, unmenschliche Praxis.
Das erfolgreiche Werk trug zwar tatsächlich zur Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten von Amerika bei.
Heute ist es dort jedoch verpönt - wegen seiner unterwürfigen Darstellung der Sklaven.
Der Roman gilt als rassistisch, auch wenn Stowe damit genau das Gegenteil bezwecken wolIte.
In diesem Fall war es eine weiße Autorin, die sich für die Rechte Schwarzer einsetzte.

Aber wie ist es sonst wenn sich Menschen für Minderheiten oder Benachteiligte starkmachen?
Welche Auswirkung hat es, wenn Deutsche für Flüchtlinge protestieren, Männer für Frauen?
Führt das zu Erfolg oder Misserfolg?
Diesen Fragen nimmt sich Julia Becker, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Osnabrück, in einem neuen Forschungsprojekt an.
Die Studien dazu will sie unter anderem bei Osnabrücker Lokalpolitikern und auf hiesigen Demonstrationen durchführen.

Obwohl es durchaus oftvorkommt, dass sich etwa Weiße für die Rechte von Schwarzen oder Heteroseuelle für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzen, hat die Wissenschaft die Rolle der Unterstützer noch nicht umfassend untersucht.
Unklar sei, was eigentlich zur Solidarität anspornt und wie weit diese reicht.
Dazu gebe es noch keine verlässlichen Daten, sagt Julia Becker.
„Diese Lücke wollen wir schließen."

Grundlage ist ein „Vier-Perspektiven-Ansatz".
Gemeint sind damit die Rollen der Autorität (zum Beispiel ein Staat), der Betroffenen (zum Beispiel Flüchtlinge), der unbeteiligten Mehrheit oder der Beobachter und schließlich die Rolle der Solidarischen Unterstützer, die Becker englisch „Allies" (Alliierte) nennt.

In verschiedenen Untersuchungen werden Vertreter dieser vier Gruppen befragt.
Hat es etwa eine positive Wirkung, wenn sich „Allies" für Minderheiten einsetzen?
Vorstudien bestätigten zumindest, dass ein Protest mehr Wirkung haben kann, wenn die Protestierenden sich für andere einsetzen, so Julia Becker.

Genauso verweist die Professorin auf Forschungsergebnisse, die zeigen, „dass es Probleme gibt, wenn Allies zu dominant werden".
Dann distanzieren sich Betroffenen von ihnen.
Und wie weit wollen die Unterstützer überhaupt gehen?
„Wenn Männer sich für gleiche Bezahlung von Frauen einsetzen, wollen sie dann wirklich, dass Frauen dasselbe verdienen?
Oder meinen sie, dass 35 Prozent doch reicht?", erläutert Becker.

Um welche Proteste es geht, steht noch nicht fest.
Das hängt von den politischen Themen ab, die in dem zweijährigen Forschungszeitraum relevant sind.
„Es ist schon wahrscheinlich, dass es unter anderem um Feminismus und Geflüchtete geht", meint Becker.
Sie und ihre Mitstreiter wollen unter anderem auf Demonstrationen Umfragen durchführen.
Aber auch im Internet werden sie recherchieren.
„Der Feminismus ist schließlich im Netz sehr aktiv", weiß die Sozialpsychologin.

Sie hofft auch, dass ihre Forschungsergebnisse einen praktischen Nutzen haben.
„Wenn wir wissen, welche Verhaltensweisen von Verbündeten positiv oder negativ ankommen, können Konflikte innerhalb von Bewegungen reduziert werden."
Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 136.000€ unterstützt.